Hinter den Kulissen der Kemptener Tafelläden des BRK
Interview mit BRK-Tafel-Koordinator Markus Wille zum „Tag der Tafeln“
Am Samstag, dem 1. Oktober, ist der Tag der Tafeln in Deutschland. Zudem findet vom 29. September bis 6. Oktober 2022 die dritte bundesweite Aktionswoche „Deutschland rettet Lebensmittel“ statt. Zu den wichtigen Akteuren, die sich schon seit vielen Jahren gegen Lebensmittelverschwendung (und zugleich für die Unterstützung sozial benachteiligter Menschen) einsetzen, zählen die Tafeln. Das Rote Kreuz ist der Träger der Tafel Kempten. Markus Wille, Tafelkoordinator beim BRK Oberallgäu, gewährt im Gespräch einen Blick hinter die Kulissen.
Herr Wille, seit wann gibt es die Tafel Kempten?
Markus Wille: 2004 wurde unter dem Namen `Tischlein deck´ Dich´ die erste Ausgabestelle in der Feilbergstraße in Kempten gegründet. Bald wurde klar, dass nur eine Ausgabestelle zu wenig ist und eine Zweite eröffnet werden muss. Wie die Zeit vergeht… nun sorgen wir schon 18 Jahre dafür, dass Lebensmittel an Bedürftige verteilt werden.
Wo befinden sich in Kempten Tafel-Ausgabestellen?
Markus Wille: Seit 2008 kümmert sich das Ehepaar Resi und Karl Weiss mit ihrem Team in der Ausgabestelle Magnusstraße 16 um das Wohl der Menschen und um die gerechte Verteilung der gespendeten Lebensmittel. Ende 2011 entstand die Ausgabestelle Memmingerstraße 114 und eine dritte Ausgabestelle in der Landwehrstraße 11 wird von der Caritas betreut.
Wie viele Menschen besuchen täglich die Tafeln in Kempten?
Markus Wille: Rund 450 Menschen werden täglich durch die drei Ausgabestellen der Tafeln in Kempten mit dem Nötigsten versorgt. Zusätzlich kommen etwa 200 ukrainische Familien jeden Freitag zur gesonderten Ausgabe in die Haubenschloßstraße.
Wer spendet die Waren und wo kommen diese her?
Markus Wille: Unsere Sponsoren und Lieferanten sind vor allem Discounter, Bäckereien, Großverbrauchermärkte, Supermärkte, Metzgereien und Gärtnereien in Kempten und der Umgebung. Aber alleine diese Spenden würden niemals ausreichen - wir holen an drei bis vier Tagen pro Woche palettenweise Waren von Speditionen und der Lebensmittelindustrie selbst ab. Vor allem Milchprodukte, von denen wir im Allgäu ja zum Glück viele haben. Waren auf beschädigten Paletten und Getränke und Lebensmittel kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums ergänzen unser Angebot. Gastronomie-Großverpackungen, die wir nicht an Tafel-Kunden aufteilen können, werden in unserer Wärmestube an sieben Tagen pro Woche zu schmackhaften Gerichten verkocht und damit 60 bis 120 Gäste pro Tag glücklich gemacht.
Merken Sie im Moment, dass die wirtschaftliche Situation vieler Menschen den Kundenandrang bei den Tafeln steigen lässt?
Markus Wille: Schon mit Beginn der Corona-Krise kamen immer mehr Menschen zu uns und stellten Anträge für die Einkaufsberechtigungen bei der Tafel. Nun schlittern wir von einer Krise in die nächste und haben gar keine Zeit mehr, mal richtig Luft zu holen. Wir erwarten bis Ende diesen Jahres und vor allem im Laufe des nächsten Jahres nochmal einen ganz deutlichen Anstieg der Tafel-Kunden. Viele Menschen realisieren die Nachzahlungen und Teuerungen erst dann, wenn das Konto im Minus ist und kein Geld mehr für das Nötigste vorhanden ist.
Welche Lebensmittel brauchen Sie am nötigsten?
Markus Wille: Bei so vielen Menschen jeden Tag hilft uns einfach alles weiter. Wir brauchen immer haltbare Lebensmittel wie Konserven, Getränke, Mehl, Zucker, Reis… aber auch über kleine „Luxusartikel“, die für die meisten Menschen ganz normal sind, wie Kaffee, Nuss-Nougat-Creme, Honig oder Marmelade freuen sich unsere Kunden sehr. Besonders die Kinder der Tafel-Kunden freuen sich über manche Süßigkeit, für die den Eltern in der Regel das Geld fehlt.
Wie können die Menschen im Allgäu der Tafel helfen?
Markus Wille: Wir sind dankbar für jede Hilfe, die wir bekommen können. Neben Geld- und Sachspenden ist ZEIT eine ganz wichtige Hilfe für uns, zum Beispiel ein- bis zweimal pro Woche bei uns für 3-4 Stunden am Vormittag mitzuhelfen. Jeder der Spaß am Umgang mit Lebensmitteln und netten Kolleginnen und Kollegen hat, ist bei uns willkommen. Unser Team besteht aus über 120 Ehrenamtlichen, die sich jede Woche für die Nöte und Bedürfnisse unserer Kunden einsetzen. Wir freuen uns immer über Neuzugänge und Ihre Unterstützung!