Das Eis trägt noch nicht!
BRK-Wasserwacht gibt Tipps zur Rettung bei Eiseinbruch
Die Verlockung ist groß: zugefrorene Teiche, Seen, Bäche und Flüsse ziehen nicht nur Kinder magisch an. Birgit Ellmann, Vorsitzende der BRK-Kreiswasserwacht Kempten-Oberallgäu, warnt jedoch eindringlich davor, Eisflächen zu betreten: „Das Eis ist momentan an den meisten Orten noch nicht tragfähig. Es droht ein lebensgefährlicher Eiseinbruch.“ Sie erklärt, worauf man beim Betreten zugefrorener Gewässer achten muss und welche Rettungsmaßnahmen im Notfall angewendet werden können.
Erst ab etwa fünfzehn Zentimetern Dicke könne eine Eisfläche mehrere erwachsene Personen tragen, betont die erfahrene Wasserretterin. „Diese Stärke zu erreichen, dauert in Abhängigkeit von den Minusgraden mehrere Wochen. Wenn es dazwischen mehrere wärmere Tage gibt, lassen diese das Eis aber ganz rapide wieder dünner werden“, warnt sie. Zudem könnten Eisflächen unterschiedlich dick sein, zum Beispiel aufgrund von Strömungen, Zuläufen oder auch Pflanzeneinschlüssen.
Tragfähigkeit kaum abschätzbar
„Die Tragfähigkeit einer Eisdecke ist von oben sehr schwer einzuschätzen und hängt außerdem nicht nur von deren Dicke ab, sondern vor allem von der Qualität des Eises, von der Anzahl der Personen, die sich darauf befinden, von deren Abstand untereinander, deren Gewicht und der Art der Bewegung - Hüpfen ist beispielsweise eine höhere Belastung als Gehen.“ Aufs Eis geworfene Steine seien keine zuverlässigen Hinweisgeber. „Löcher im Eis deuten auf eine mögliche Einbruchgefahr hin, ebenso wie Knistern, Knacken und Knirschen im Eis. Legen Sie sich in dem Fall sofort flach aufs Eis und kriechen Sie möglichst auf demselben Weg zurück ans Ufer, auf dem Sie gekommen sind“, rät die Expertin.
Natürliche Eisflächen meiden
„Wir appellieren immer wieder an die Bevölkerung, Eisflächen auf natürlichen Gewässern besser zu meiden oder grundsätzlich nur an bewachten Gewässern und nie allein auf das Eis zu gehen. Eltern sollten ihre Kinder unbedingt über die Gefahren beim Betreten von natürlichen Eisflächen aufklären. Gesperrte Eisflächen dürfen auf keinen Fall betreten werden.“
Gefahren bei Eiseinbruch
Warum es so extrem gefährlich ist, im Eis einzubrechen, erläutert Birgit Ellmann so: „In dem eisigen Wasser kommt es sehr schnell zu einer starken Unterkühlung und in deren Folge zu einer massiven Kreislaufbelastung, die bis zum Tod führen kann. Taucht man mit dem
Kopf unter Wasser und atmet dieses ein, kann es zu einem Stimmritzenkrampf kommen. Dabei verschließen sich die Stimmbänder und man bekommt keine Luft mehr. Ohne sofortige Hilfe sinken die Überlebenschancen rapide. Zugleich bestehen bei Unfällen in eisigem Wasser grundsätzlich höhere Chancen für eine erfolgreiche Reanimation.“ Durch die Kälte sei die Wahrscheinlichkeit, einen Ertrinkungsunfall ohne neurologische Schäden zu überstehen, höher als in warmem Wasser. Aus diesem Grund werden Menschen mit Unterkühlungen immer so lange reanimiert, bis sie wieder eine normale Körpertemperatur haben.“
Brigit Ellmann gibt Tipps, wie man sich selbst und andere Personen bei einem Eiseinbruch retten kann.
Was ist zu tun, wenn man selbst im Eis eingebrochen ist?
- Rufen Sie laut um Hilfe
- Bewegen Sie sich nicht mehr als nötig, um so wenig Körperwärme wie möglich zu verlieren. Das Wasser ist an der Nullgradgrenze, daher kann die Bewusstlosigkeit schon nach wenigen Minuten eintreten
- Breiten Sie sofort die Arme aus, um ein Untertauchen unter das Eis zu verhindern
- Brechen Sie brüchiges Eis mit den Ellbogen oder Fäusten weg, bis Sie an einen festen, tragfähigen Eisrand gelangen. Dieser liegt in aller Regel in der Richtung, aus der Sie gekommen sind. Versuchen Sie dann, sich mit Armen, Beinen und Körper und durch Beinschläge wie beim Brustschwimmen auf das Eis hinaufzuschieben. Auf dem Bauch zum Ufer kriechen - durch die Verteilung des Körpergewichts auf eine größere Fläche vermeidet man ein weiteres Einbrechen
- Bricht das Eis immer wieder ein, versuchen Sie, sich zum nächstgelegenen Ufer durchzubrechen.
Für den Fall, dass Sie unter die Eisfläche geraten, gilt: Wenn man von unter Wasser nach oben schaut, ist die Einbruchsstelle bei schneebedecktem Eis als heller Fleck erkennbar, bei blankem Eis ist es hingegen ein dunkler Fleck.
Tipps zur Fremdrettung
- Grundsätzlich gilt: Ihre eigene Sicherheit steht an oberster Stelle!
- Sofort Notruf unter 112 absetzen und möglichst weitere Personen zu Hilfe rufen. Der betroffenen Person signalisieren, dass Hilfe naht
- Der eingebrochenen Person niemals aufrechtstehend, sondern auf dem Eis liegend helfen, da die Gefahr besteht, selbst einzubrechen
- Der eingebrochenen Person niemals direkt die Hand reichen, da man selbst ins Wasser rutschen könnte
- Der verunglückten Person nur mit einem Gegenstand helfen, den man auch loslassen kann, zum Beispiel Äste, ein Seil oder ein Kleidungsstück
- Falls vorhanden: Rettungsringe, -leinen oder -leitern verwenden
Achtung, Bergungstod!
Ist die verunglückte Person erst einmal aus dem Wasser gezogen, gilt es unbedingt weitere Regeln zu beachten. „Der Betroffene darf möglichst nicht bewegt und keinesfalls aktiv aufgewärmt werden, sonst droht der sogenannte Bergungstod!“ Was es damit auf sich hat, erklärt sie so: „Bei unterkühlten Personen wird nur noch der Körperkern, also Organe, Gehirn und Herz mit warmem Blut versorgt. Die Extremitäten kühlen sehr stark ab. Wenn nun die Blutzirkulation durch Bewegung, Reiben, Wärmflasche oder kreislauffördernde Getränke angeregt wird, gelangt zu schnell kaltes Blut von den äußeren Körperbereichen zu den lebenswichtigen Organen. Dies kann zu Organversagen und Herz-Kreislauf-Stillstand führen!“
Darum müsse der Betroffene mit möglichst wenigen Bewegungen flach am Ufer oder in einem warmen Raum gelagert werden. Hilfreich sei es, nasse Kleidung vorsichtig auszuziehen und die Person behutsam in warme Decken und Rettungsdecken zu hüllen. „Kontrollieren Sie immer wieder das Bewusstsein des Betroffenen. Versuchen Sie, die Person durch Sprechen wach zu halten. Warme, zuckerhaltige Getränke dürfen verabreicht werden, keinesfalls jedoch Alkohol. Bei Bewusstlosigkeit und normaler Atmung bringen Sie den Betroffenen vorsichtig in die stabile Seitenlage. Bei nicht normaler Atmung oder Herz- Kreislaufstillstand bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes Herz-Lungen-Wiederbelebung durchführen, also 30-mal Herzdruckmassage und zweimal Beatmen im Wechsel.“